Während Europa unter den Folgen des Corona Virus leidet, hat der EuGH noch Ende März eine Entscheidung zu Kreditverträgen erlassen, die man tatsächlich als sensationell einstufen kann und die trotz Corona nicht übersehen werden sollte. Sollten Sie seit dem 11.06.2010 einen Kreditvertrag abgeschlossen haben, egal ob hierüber eine Immobilie, ein Auto oder eine Reise finanziert wurde, dann könnte Ihnen die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (Aktenzeichen C-66/19) die Möglichkeit einräumen, viel Geld zu sparen.
Konkret geht es um Folgendes:
Grundsätzlich hat der Gesetzgeber jedem Verbraucher das Recht eingeräumt, nach dem Abschluss eines Darlehens- / Kreditvertrages diesen innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu widerrufen. Damit soll dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, auch nach Abschluss eines solchen Vertrags über die Konditionen des Vertrags noch einmal nachzudenken und sich ggf. eine zweite Meinung einzuholen. Denn oftmals entwickeln sich Beratungsgespräche – gerade bei Kreditinstituten – zu reinen Verkaufsgesprächen, bei denen der Verbraucher am Ende das Haus mit einem Darlehensvertrag verlässt, den er zumindest so überhaupt nicht abschließen wollte. Meistens ist es schwer, ohne umfangreiche Prüfung die Verpflichtungen aus dem Vertrag abschließend zu überblicken.
Der Darlehensgeber, üblicherweise also die Bank, ist gesetzlich dazu verpflichtet, den Verbraucher über dieses Widerrufsrecht umfassend, klar und prägnant, insbesondere aber auch verständlich, zu informieren. Hierzu übergeben die Kreditinstitute regelmäßig mit den Vertragsunterlagen entsprechende Widerrufsbelehrungen.
Bei Verträgen, die vor Juni 2010 abgeschlossen wurden, kam es immer wieder zu Streitigkeiten darüber, wann die 14-tägige Frist zum Widerruf zu laufen beginnt. Wurde der Fristbeginn nicht ordnungsgemäß berechnet, gingen die Gerichte von keiner ausreichenden Belehrung aus. Grundsätzlich verlangt der Gesetzgeber, dass der Kreditnehmer alle Informationen zum Vertrag vorliegen haben muss, bevor er mit seiner Prüfung beginnen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt kann die Frist von 14 Tagen zu laufen beginnen.
Seit Juni 2010 bezeichnet ein Großteil der Kreditinstitute deswegen in den ausgegebenen Widerrufsbelehrungen kein konkretes Datum als Fristbeginn, sondern stellt auf den Zeitpunkt ab, zu dem der Darlehensgeber alle Pflichtangaben, die der Gesetzgeber vom Darlehensgeber verlangt, erhalten hat. Üblich sind Klauseln wie beispielsweise:
„[…] Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. […]“
Damit wurde dem Verbraucher die Pflicht auferlegt, selbst zu berechnen, ab welchem Zeitpunkt die Frist zum Widerruf zu laufen beginnt.
Mit seiner Entscheidung vom 26.03.2020 hat der EuGH diese Praxis nunmehr für rechtswidrig erklärt und festgestellt, dass eine solche Formulierung nicht mit der europäischen Richtlinie für Verbraucherkreditverträge (Richtlinie 2008/48/EG) in Einklang zu bringen ist. Der EuGH verlangt, dass dem Verbraucher klar erkennbar gemacht wird, wann seine Frist von 14 Tagen beginnt. Diesem Anspruch wird die oben genannte Formulierung jedoch nicht gerecht. Diese enthält nämlich kein festes Datum, sondern verweist lediglich auf eine nationale Vorschrift, die dann ebenfalls auf weitere Rechtsvorschriften verweist. Der Verbraucher ist dadurch gezwungen, sich durch diverse Gesetzestexte zu arbeiten, um den Fristbeginn korrekt zu bestimmen. Teilweise wird dem Verbraucher sogar juristische Subsumtionstechnik abverlangt.
Der EuGH hat festgestellt, dass ein solcher so genannter Kaskadenverweis für einen Verbraucher zu kompliziert ist - und eben nicht klar und prägnant, wie es die europäische Richtlinie verlangt. Das Vorgehen der Kreditinstitute wurde deswegen als rechtswidrig eingestuft.
Was bedeutet diese Entscheidung für Sie konkret?
Durch die Entscheidung des EuGH werden die Belehrungen zum Fristbeginn des Widerrufsrechts für unwirksam erklärt. Damit ist der Verbraucher nie ordnungsgemäß über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt worden. In der Folge steht dem Verbraucher damit weiterhin das Recht zu, den geschlossenen Kreditvertrag zu widerrufen. Selbst dann, wenn seit Abschluss fast 10 Jahre vergangen sind.
Haben Sie beispielsweise im Jahr 2011 einen Immobilienkredit abgeschlossen, für den Sie einen Zinssatz von rund 5 Prozent zahlen müssen, können Sie diesen Vertrag nun widerrufen und zu aktuellen Zinskonditionen, die aktuell bei rund 1 Prozent liegen, neu finanzieren.
Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, wird der geschlossene Darlehensvertrag mit sofortiger Wirkung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Die wechselseitig erhaltenen Leistungen sind somit zurück zu gewähren.
Der Darlehensnehmer muss somit die Darlehenssumme zurückzahlen. Die Bank kann ggf. noch den Ersatz des Gebrauchsvorteils nach § 346 Abs. 2 BGB verlangen.
Die Bank muss dem Kunden dagegen nicht nur die gezahlten Zinsen und Tilgungsleistungen zurückzahlen, sondern schuldet zudem den Ersatz gezogener Nutzungen gemäß § 346 Abs. 2 BGB. Dies bedeutet, dass Zahlungen des Kunden bei Immobiliar-Darlehensverträgen mit 2,5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz und bei sonstigen Verbraucherdarlehensverträgen mit sogar 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind. Durch den Kunden geleistete Bereitstellungszinsen und Provisionen sind ebenfalls zurück zu zahlen, genauso wie geleistete Disagios oder Bearbeitungsgebühren. Zudem muss die Bank alle gewährten Sicherheiten umgehend freigeben.
In der Praxis wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob die Entscheidung des EuGH für den von Ihnen geschlossenen Darlehensvertrag einschlägig ist und welche Folgen der Widerruf des Vertrags in Zahlen konkret mit sich bringt.
Aktuell stimmen wir ein Verfahren ab, mit dem wir unsere Mandanten hier bestmöglich unterstützen können. Dazu gehört die Prüfung der von Ihnen abgeschlossenen Verträge und die Geltendmachung Ihrer Ansprüche gegenüber dem Kreditinstitut.
Wenn Sie von uns hierzu weiter informiert werden möchten, können Sie sich unter folgendem Link
» ANMELDUNG FÜR WEITERE INFORMATIONEN «
bei uns vollkommen unverbindlich für weitere Informationen anmelden. Wir werden dann zeitnah mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Sie weiter informieren.
Ihr EKP Recht Team!
Ansprechpartner:
Martin Wagner, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Master of Laws (Gewerblicher Rechtsschutz)
EKP Engel, Kronenberg & Partner,
Steuerberater / Rechtsanwälte mbB
Toulouser Allee 23a, 40211 Düsseldorf
Telefon: 0211 – 96166