Das LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern hatte kürz­lich über fol­gen­den Fall zu entscheiden:

Ein Arbeit­neh­mer, der in einem metall­ver­ar­bei­ten­den Betrieb fast 40 Jahre im Drei-Schicht-Betrieb tätig und Mit­glied des Betriebs­ra­tes war, wurde eines Abends von der Per­so­nal­lei­te­rin des Unter­neh­mens gegen 19:40 Uhr in einer Frei­zeit­ein­rich­tung ange­trof­fen. Dies wäre an sich nicht pro­ble­ma­tisch gewe­sen, wenn der Arbeit­neh­mer zu die­sem Zeit­punkt nicht seine Spät­schicht abzu­leis­ten gehabt hätte, die an die­sem Tag regu­lär erst um 22 Uhr endete. Rund 30 Minu­ten spä­ter checkte ein Arbeits­kol­lege den Arbeit­neh­mer und heu­ti­gen Klä­ger mit des­sen Mit­ar­bei­ter­aus­weis im Zeit­er­fas­sungs­sys­tem aus.

Am dar­auf­fol­gen­den Tag mel­dete sich der Klä­ger für die um 14:00 Uhr begin­nende Spät­schicht tele­fo­nisch arbeits­un­fä­hig. Am sel­ben Abend wurde der Klä­ger gegen 21:45 Uhr in Fest­klei­dung erneut in der glei­chen Frei­zeit­ein­rich­tung wie am Tag zuvor gesehen.

Die Beklagte hörte den Klä­ger am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag zu den Vor­wür­fen an. Der Klä­ger recht­fer­tigte sein Ver­hal­ten damit, kurz­fris­tig den 85. Geburts­tag sei­nes Vaters vor­be­rei­tet zu haben.

Nach­dem der Betriebs­rat der beab­sich­tig­ten Kün­di­gung schrift­lich zustimmte, kün­digte der Arbeit­ge­ber das Arbeits­ver­hält­nis unter Ein­hal­tung der gesetz­li­chen Frist von zwei Wochen außer­or­dent­lich und frist­los. Dar­auf­hin erhob der Klä­ger Kündigungsschutzklage.

In der ers­ten Instanz gab das ArbG Schwe­rin dem Klä­ger noch recht und kas­sierte die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung ein. Das Gericht sah die Kün­di­gung als unver­hält­nis­mä­ßig an, da das Arbeits­ver­hält­nis über 40 Jahre bean­stan­dungs­los exis­tiert hatte.

Dage­gen wandte sich die Arbeit­ge­be­rin in ihrer Beru­fung an das LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Die­ses hob das Urteil der Vor­in­stanz mit fol­gen­der Begrün­dung auf:

Die außer­or­dent­li­che und frist­lose Kün­di­gung ist gerecht­fer­tigt: Der Arbeit­neh­mer ver­stieß rück­sichts­los und beharr­lich gegen seine Pflich­ten, indem er nicht nur die Arbeits­zeit­er­fas­sung fälschte und eine Arbeits­un­fä­hig­keit mit der Folge einer unbe­rech­tig­ten Ent­gelt­fort­zah­lung vor­täuschte, son­dern auch noch einen Mit­ar­bei­ter der Beklag­ten hin­zu­zog und des­sen Arbeits­ver­hält­nis damit zusätz­lich gefähr­dete (LAG, Urteil vom 30.07.2019, 5 Sa 246/18, Rn. 34).

Laut LAG ver­schafft einem Arbeit­ge­ber eine jahr­zehn­te­lang aus­ge­übte und nicht zu bean­stan­dende Tätig­keit auch keine Son­der­stel­lung, in der er sich grobe Pflicht­ver­let­zun­gen zumin­dest ein­ma­lig erlau­ben kann (Urteil a.a.O., Rn. 32.

Auch eine sehr lange Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit kann zu Recht nicht zuguns­ten des Arbeits­neh­mers aus­schlag­ge­bend sein, wenn - wie hier im Streit­fall - alle Kri­te­rien für eine frist­lose Kün­di­gung sprechen.

Autor:
Rechts­an­walt Mar­tin Wag­ner, LL.M.
Fach­an­walt für Arbeitsrecht